• Susanna von Känel
  • 26. November 2018
  • 11 Min. Lesezeit

Startupticker.ch ist ein Online-Nachrichtenportal fĂĽr Jungunternehmer, Investoren und Supporter. Stefan Kyora ist MitgrĂĽnder und Chefredaktor des startupticker.ch und ein Kenner der Schweizer Startup-Szene. Lies hier das Interview.

Herr Kyora, was sind die Startup Erfolgstories 2018?

Der Erfolg des Startup-Ökosystems wird an der Zahl der Börsengänge sowie der Startup-Exits, also der Firmenverkäufe, gemessen. Die Startup-Exits setzen immer eine Reihe von Kräften frei: Oftmals agieren die Gründer danach als Business Angels und unterstützen andere Jungunternehmer oder sie arbeiten als Verwaltungsräte. Einige gründen auch wieder neue Firmen. Dabei hilft ihnen dann ihre Erfahrung und durch ihr bestehendes Netzwerk finden sie leichter Zugang zu finanziellen Mittel.

Dieses Jahr haben zum Beispiel Unternehmen wie Medartis, Sensirion und Polyphor einen erfolgreichen Börsenstart oder Startup-Exit geschafft. Ein weiterer sehr erfolgreicher Exit war der Verkauf von bexio an die Mobiliar.

Welche Branchen haben sich interessant entwickelt?

Relevant bei der Höhe der Investitionen bleiben Medtech oder Biotech, da gibt es wenig Verschiebung. Aktuell sehen wir zudem viele Startups im Bereich Digitalisierung und das in allen – auch traditionellen – Branchen wie der Maschinen-, Elektro- und Metallindustrie. Die Schweiz ist immer dann stark, wenn es um komplexe Technologien in anspruchsvollen Anwendungsfeldern geht. Konkrete Beispiele aus meiner Sicht sind Digital Health, Robotik und Drohnen, Fintech oder Krypto.

Digital Health ist eines der Themen, die schon stark an Relevanz zugenommen haben. Die Branche ist sehr vielfältig, wir finden hier Anwendungen von Artificial Intelligence bis hin zu Apps für die Ernährung. Eine der interessanten und erfolgreichen Firmen im Bereich Digital Health ist zum Beispiel Sophia Genetics. Die Branchen Robotik und Aviatik mit Drohnen bleiben die Schweizer Vorzeigetechnologien, hier sind wir traditionell stark. Ich beobachte aktuell im Bereich Fintech und Krypto starke Aktivität, die nicht nur die Aufmerksamkeit der Presse auf sich ziehen. Aber man muss hier realistisch bleiben: Bei den Schweizer Top 50 Kryptofirmen, die CV VC in einer Studie identifiziert hat, arbeiten nicht einmal 500 Personen. Das sind weniger als 10 Mitarbeitende pro Unternehmen.

Welche Startups sollte man im Auge behalten?

Ein guten Überblick geben die Top 100 Startups. Darüber hinaus gibt es Startups, welche schon fortgeschritten sind in der Entwicklung und bereits einen Börsengang planen. Ich denke da zum Beispiel an Beekeeper, Nexthink, Sophia Genetics oder TVP Solar.

Ich persönlich favorisiere keine bestimmte Branche. Für mich sind es letztlich immer die Menschen hinter den Startups, die mich faszinieren. Vor Kurzem sprach ich mit einem Gründer, der seit 10 Jahren erfolgreich arbeitet und heute 60 Mitarbeitende hat. Er sagte mir, dass er sich seit 10 Jahren ausserhalb seiner Komfortzone bewegt. Solche Menschen sind es, die eine Unternehmung ausmachen, sie entwickeln und prägen.

Was ist das Besondere an der Startup Szene Schweiz?

Wir verfügen in der Schweiz über eine spezielle geografische Verteilung. Im Gegensatz zu anderen Ländern entstehen Startups nicht nur in Ballungszentren. Aktuell kommen rund ein Drittel der Startups aus Zürich, ein Drittel aus der Genfersee-Region und ein Drittel sind in der ganzen Schweiz verteilt.

Unsere Startups kommen weniger aus dem Bereich eCommerce, dafür ist der Schweizer Markt zu klein und die Lohn- und Standortkosten zu hoch. Wir sind stark im Bereich Life Science, Hardware und Fintech. Generell wird die Schweizer Startup Szene oft unterschätzt, weil diese Firmen nicht im B2C- sondern mehrheitlich im B2B-Geschäft tätig sind.

Welche Trends sehen Sie in den nächsten Jahren?

  1. Die "Born Globals" gehen an den Start
    Ich befasse mich schon rund 20 Jahre mit Startups und schon lange spricht man von den "Born-Globals". Die "Born-Globals" sind Unternehmungen, die von Anfang an eine globale Ausrichtung haben. Sie sind nun Realität. Viele der Startups, die dieses Jahr am Kickstart-Accelerator teilgenommen haben, konnte man zum Beispiel nicht mehr eindeutig einem Land zuordnen. Die Teams arbeiten seit ihrer Gründung von verschiedenen Ländern aus, ja sogar von verschiedenen Kontinenten. Ein tolles Beispiel dafür ist die Firma Beekeeper: Die Unternehmung wurde zwar in der Schweiz gegründet, hat aber auch einen grossen Standort in San Francisco. Sie arbeiten in globalen Teams, so führt die Marketingleiterin das Schweizer Team von den USA aus.
    Ein Grund für diese Entwicklung ist, dass es schwierig ist gut qualifizierte Mitarbeitende zu finden. Der Radius für die Rekrutierung vergrössert sich. Heute stammen rund 50% der Absolventen der ETH aus dem Ausland. Die Gründer:innen gründen hier vor Ort mit internationalen Kolleg:innen Startups und wenn diese Mitarbeitenden wieder in ihre Ursprungsländer zurückgehen, arbeiten sie von dort aus weiter oder bauen dort einen weiteren Standort auf. Die technologischen Mittel ermöglichen heute eine Zusammenarbeit unabhängig von Zeit und Raum.
  2. Die Frauen kommen, endlich
    Bisher gab es leider nur wenig Frauen in technischen Berufen. Vor allem in der Schweiz war der Anteil bisher sehr klein. Dies verändert sich deutlich: Immer mehr Frauen arbeiten in diesen Bereichen, besonders im Bereich Biotech. Sie haben ein neues Selbstbewusstsein und begreifen es nicht als Ausnahme, selbst Firmen zu gründen oder sich im technischen Umfeld beruflich zu engagieren. Im aktuellen Top 100 Magazin sehen wir dies bei drei der fünf besten Biotech-Startups: Von Frauen gegründet und mit weiblichem CEO.

Was wĂĽnschen Sie sich fĂĽr die Startup Szene?

Als Journalist werde ich nicht Unternehmern oder Investoren Ratschläge erteilen. Aber an meiner Branche stört mich, dass oft über die "exotischen" Startups berichtet wird, statt über Unternehmungen, die wirklich Potenzial haben. Nehmen Sie als Beispiel die Firma VIU mit Ihren Brillen. Die Unternehmung hat heute bereits 250 Mitarbeitende und ist international tätig. Über solche Erfolgsgeschichten würde ich gerne mehr lesen.

Fotografie: Zvonimir Pisonic.
Fotografie: Zvonimir Pisonic.

Ăśber den Startupticker.ch & Stefan Kyora

Startupticker.ch ist die Schweizer Online-Plattform für Jungunternehmer, Innovatoren und Supporter. Das Informationszentrum erhöht den Bekanntheitsgrad von Schweizer Startups und rückt die lebendige und äusserst vielfältige Schweizer Startup-Szene ins Rampenlicht.

Das unabhängige Nachrichtenportal im Auftrag der Innosuisse informiert täglich über Erfolge von Jungunternehmen, Unterstützungsangebote wie Preise und Support-Programme sowie über bevorstehende Events und Schulungen. Die wichtigsten News und Events der Woche werden am Freitag im wöchentlichen Newsletter zusammengefasst.

Stefan Kyora (53) ist seit 20 Jahren Journalist und Mitinhaber der JNB Journalistenbüro GmbH. Er befasst sich mit den Themen Startups, Innovation, KMU, Unternehmensfinanzierung und Verwandtem. Heute ist er Chefredaktor von Startupticker.ch und Koautor des Swiss Venture Capital Reports. Vor seiner journalistischen und unternehmerischen Karriere hat er mit einer Arbeit zur Wirtschaftsethik an der Universität Konstanz promoviert.